Plötzlich sichtbar
Am CENEM vereint die FAU modernste Mikroskopiemethoden zur Erforschung neuer Materialien und Prozesse
Ihre Forschungsgegenstände sind fürs bloße Auge unsichtbar. Selbst mit gängigen Mikroskopen kommen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei Strukturen auf atomarer Ebenen nicht mehr weiter. An der FAU können Forscherinnen und Forscher am Center for Nanoanalysis and Electron Microscopy (CENEM) auf modernste Mikroskopieverfahren zugreifen, um einen Blick in die Welt der allerkleinsten Teile zu werfen. Was sich hinter dem CENEM verbirgt erklärt sein Vorsitzender, Prof. Dr. Erdmann Spiecker im Interview.
Wie ist das CENEM entstanden, mit welchem Ziel?
Prof. Dr. Erdmann Spiecker: Das Center for Nanoanalysis and Electron Microscopy (CENEM) ist 2010 aus dem Exzellenzcluster „Engineering of Advanced Materials“ entstanden. Ziel war es, die modernen Methoden der hochauflösenden Mikroskopie und Nanocharakterisierung an der FAU zu bündeln, um sie effizient für die Erforschung neuer Materialien und Prozesse einzusetzen, einem der wichtigsten Forschungsschwerpunkte der Universität. Dieser Ansatz hat sich in vielfältiger Weise bestätigt. Mit seinem einzigartigen, methodenübergreifenden und interdisziplinären Konzept konnte das CENEM bereits 2012 als eines der ersten Zentren seiner Art in der Ausschreibung „Großgerätezentren – Core Facilities“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) überzeugen und wurde über 5 Jahre gefördert. Im Jahr 2013 gelang es dem CENEM, ein eigenes DFG-Graduiertenkolleg zum Thema „In situ Mikroskopie mit Elektronen, Röntgenstrahlen und Rastersonden“ (GRK 1896) zu etablieren, in dem über 20 Doktorandinnen und Doktoranden an modernsten Methoden der Mikroskopie forschen. Aufgrund einer sehr erfolgreichen und dynamischen Entwicklung hat das Graduiertenkollegs 2018 den Zuschlag für eine zweite Förderphase erhalten und wird bis 2022 mit dann insgesamt über 10 Mio. Euro gefördert. Ebenso wichtig ist der Beitrag des CENEM in verschiedenen Verbundprojekten der FAU, etwas zu neuen Kohlenstoffmaterialien (SFB 953), zu Hochtemperaturwerkstoffen für Gasturbinen (SFB-TR 103) oder zu funktionalen Molekülschichten auf Oberflächen (FOR 1896). Und schließlich ist das CENEM eine Nutzereinrichtung, in der Forscherinnen und Forscher die weitreichenden Methoden der hochauflösenden Mikroskopie und Nanocharakterisierung selbst erlernen und Zugang zu modernsten Großgeräten erhalten können.
Mikroskope am CENEM: Transmissionselektronenmikroskop (TEM) FEI Titan Themis3 300
Das Titan Themis3 300, dem ersten Mikroskop dieser Art in Europa, ermöglicht hochauflösende Bildgebung sowie leistungsstarke analytische Untersuchungsfunktionen. Mit ihm können Forscherinnen und Forscher atomare Strukturen mit einer Auflösung besser als 0,1 Nanometer studieren und ihre chemische Identität bestimmen. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar ist etwa 50.000 Nanometer dick. Aufgrund einer Elektronenoptik mit speziellen Linsenkorrektoren und einer weitreichenden Ausstattung kann das Mikroskop nicht nur die Position von Atomen hochpräzise vermessen, sondern auch ihre Bindung untereinander analysieren und Stoffe auf atomarer Skala chemisch identifizieren.
Was sind die verschiedenen Forschungsbereiche?
Mit seiner Methodenvielfalt ist das CENEM in ganz unterschiedlichen Forschungsbereichen aktiv, von den grundlegenden Naturwissenschaften über die moderne Materialforschung bis hin zur Verfahrenstechnik und anderen anwendungsnahen Ingenieurswissenschaften. Neben den bereits oben erwähnten Verbundprojekten arbeiten wir zum Beispiel intensiv mit der Erlanger Partikeltechnologie zusammen, um neue Konzepte für das Design von Nanopartikeln zu entwickeln und zu validieren. Hier entsteht gerade ein großes Verbundprojekt, das Anfang 2020 starten soll. Ein anderes Anwendungsfeld ist die Katalyse, bei der die hochauflösenden Mikroskopie- und Spektroskopieverfahren des CENEM extrem wichtig sind, um die katalytischen Prozesse auf kleinster Skala aufzuklären. Auch hier ist ein großes Verbundprojekt mit Beteiligung von Natur- und Ingenieurswissenschaften in Vorbereitung. Und schließlich tragen die verschiedenen Methoden des CENEM seit Jahren erfolgreich zur Entwicklung organischer Solarzellen bei, indem sie die Nanomorphologie der aktiven Schichten in solchen Zellen aufschlüsseln.
Mikroskope am CENEM: Rastertransmissionselektronenmikroskop Philips CM30 TEM / STEM
Mit dem Rastertransmissionselektronenmikroskop Philips CM30 TEM / STEM machen die FAU-Wissenschaftlerinnen und –Wissenschaftler verschiedenartige In-situ-Experimente, um einerseits temperaturabhängige Eigenschaften und Mechanismen durch Heiz- und Kühlexperimente und andererseits elastische und plastische Eigenschaften durch nanomechanische Tests zu untersuchen.
Was sind die Alleinstellungsmerkmale?
Das CENEM weist eine große Methodenvielfalt auf, die in dieser Form deutschlandweit einzigartig ist. So bringen wir bewusst die hochauflösenden Verfahren der Elektronenmikroskopie mit innovativen Röntgen- und Neutronenstreumethoden sowie fortgeschrittenen Techniken der Rastersondenmikroskopie zusammen. Im Bereich der tomographischen Verfahren kann das CENEM eine vollständige Palette skalenübergreifender Tomographietechniken vorweisen, von der Atomsondentomographie über diverse Elektronentomographieverfahren bis hin zur Nano-Computertomographie mit Röntgenstrahlen. Diese Vielfalt ist Voraussetzung für eine breite interdisziplinäre Materialforschung in der Verbindung von Natur- und Ingenieurswissenschaften, die an der FAU eine lange Tradition hat. Neben den speziellen Mikroskopie- und Analysemethoden bietet das CENEM somit eine Plattform, auf der sich die verschiedenen Disziplinen begegnen und voneinander profitieren. Das Graduiertenkolleg mit Doktorandinnen und Doktoranden aus Chemie, Physik, Materialwissenschaft, Elektrotechnik und Verfahrenstechnik ist dafür ein Paradebeispiel.
Mikroskope am CENEM: REM / Ein Gerät, zwei Methoden: das FIB. (Bild: CENEM)FIB-Dualbeam-System: FEI Helios NanoLab 660
Mit der Kombination aus Rasterelektronenmikroskopie und fokussiertem Ionenstrahl (FIB) und ausgestattet mit acht verschiedenen Detektoren erlaubt das REM/FIB-Dualbeam-System: FEI Helios NanoLab 660, eine Vielzahl von Signalen wie Sekundärelektronen, Röntgenstrahlen und Sekundärionen aufzulösen.